Geschichte hautnah an der HMS
Werner Lahr, der Sohn des Juden mit dem Hakenkreuz, gab Oberstufenschülern einen Einblick in seine Familiengeschichte während des Dritten Reichs.
Ein Hakenkreuz prangt auf Fritz Beckhardts Flieger während des Ersten Weltkriegs. Das Symbol, das vor der Nazizeit schlicht für die Sonne stand, soll ihm Glück bringen. Was es aber tatsächlich später einmal für eine Bedeutung für seine Familie, darunter auch für seinen Sohn Werner Lahr, bekam, berichtete der mittlerweile 80jährige Sohn bereits zum zweiten Mal vor Oberstufenschülern der Heinrich-Mann-Schule (HMS). Dank des großen Engagements des Vereins „Gegen Vergessen. Für Demokratie e.V.“ konnten die Geschichtskurse der Q2 von Julia Scheuermann und Boris Müller eine ganz besondere Geschichtsstunde erleben. Werner Lahr erzählte authentisch, fesselnd und emotional zugleich über seine Vergangenheit. Beckhardt bekam kurz vor dem Amtsantritt Hitlers seinen Sohn Kurt. Aus einer Liebschaft zu seinem Dienstmädchen bekam Fritz Beckhardt einen unehelichen Sohn, Werner Lahr. Vor etwa 10 Jahren lernte dieser seinen Halbbruder kennen, zu seinem leiblichen Vater hingegen hatte er nie Kontakt. Denn Fritz Beckhardt lehnte seinen Sohn mit den Worten „damit habe ich nichts mehr zu tun“ ab und Werner Lahr sprach nie über diese bedrückende Begegnung mit seinem Vater. Als Kinder jüdischer Eltern oder Elternteile waren beide Brüder dem Regime ausgesetzt und entkamen diesem nur mit Glück und durch völlig unterschiedliche Lebensverhältnisse. Während Kurt Beckhardt mit seinen Eltern nach England flüchten konnte, musste Werner Lahr gemeinsam mit seiner Mutter die Bombenangriffe in Mainz durchleben. Dennoch entkamen nicht alle Familienmitglieder dem Schrecken. So berichtete Werner Lahr, dass seine Großeltern in Theresienstadt und Treblinka umgebracht wurden und auch seine Tante und Onkel das Regime nicht überlebten. Besonders bedrückend war es zu erfahren, dass die Familie auch nach dem Ende des Krieges in den 50-er Jahren immer wieder zu hören bekam „Die hat der Adolf vergessen“, wie es Werner Lahr berichtet hat. Solche direkten Zeitzeugenberichte ermöglichen den Schülern einen besonderen Einblick in die deutsche Geschichte und gerade am Beispiel von Werner Lahr, einen Einblick in das dunkelste Kapitel der Geschichte. „Es war besonders zu sehen, wie Herr Lahr, heute mit seinem Schicksal umgeht. Für ihn ist es selbstverständlich uns alle Fragen zu seinem Schicksal und dem Dritten Reich zu beantworten, so dass wir anhand seiner Familie noch einmal einen ganz direkten, persönlichen Blick auf diese Zeit erhielten. Solche Gespräche und Begegnungen machen den Geschichtsunterricht so besonders an unserer Schule“, so eine Oberstufenschülerin der HMS.