Heinrich-Mann-Schule inszeniert Max Frischs Drama
„Vorurteile, Diskriminierung und Feigheit sind aktueller denn je“ Darstellendes Spiel-Kurs der Heinrich-Mann-Schule inszeniert Max Frischs Drama Andorra
Keine leichte Kost präsentierte
der Darstellendes Spiel-Kurs unter der Leitung von Volker Klett und
Marina Brügge in der vergangenen Woche in der Heinrich-Mann-Schule.
Gemeinsam mit 17 Schülerinnen und Schülern präsentierten sie nach sechs
Monaten Vorbereitung und einer intensiven Probenwoche Max Frischs Drama
Andorra in einer leicht gekürzten und bearbeiteten Fassung.
Das
Stück habe Antisemitismus, Vorurteile sowie Feigheit zum Thema und sei
in einer Zeit, die nicht frei von Vorurteilen und Ausländerfeindlichkeit
ist, aktueller denn je, bringt es Valeria Harnickel, die die junge
Barblin spielte, auf den Punkt.. „Wir wollten es ganz nah an Max Frischs
Vorlage darstellen, weil man die Situationen auch in dieser Fassung
relativ leicht auf die eigene Lebenswelt übertragen kann“, ergänzt Samme
Hajizada seine Mitschülerin. Die Frage nach der Rolle und Bedeutung
eines jeden Individuums, die von außen mitbestimmt werde, habe sie von
Anfang an gefesselt und motiviert, langfristig an diesem Theaterprojekt
zu arbeiten, so die einhellige Meinung des Ensembles.
Im Mittelpunkt des Dramas steht Andri (Sara Bousana), der bei seinem Pflegevater, dem Lehrer Can aufwächst. Dieser gibt vor, dass er seinen Pflegesohn als jüdisches Kind vor einem antisemitischen Nachbarvolk „den Schwarzen“ gerettet zu haben. Heimlich verlobt sich Andri mit Barblin (Valeria Harnickel), der Tochter Cans (Arischa Choudry). Parallel dazu leidet Andri unter der antisemitischen Haltung der Andorraner ihm gegenüber und beginnt mit Selbstbeobachtungen. Dadurch, dass die Andorraner ein Bild entwerfen, wie Andri als Jude zu sein habe, legen sie ihn gemäß ihren Vorurteilen fest. Andri nimmt dieses Bild, also das Klischeedenken seiner Mitmenschen, an, füllt die von ihm erwartete Rolle zunehmend mehr aus und bestätigt somit die ihm entgegengebrachten Vorurteile. Deutlich wird: Die Spiegelung der sozialen Umwelt führt zu (s)einer Anpassung an die Erwartungen. Im Verlauf des Stücks erfährt das Publikum, dass Andri der leibliche uneheliche Sohn des Lehrers mit „einer Schwarzen“ des Nachbarvolkes ist. Umso tragischer erleben sie, dass Andri von „den Schwarzen“ ohne die deutliche Gegenwehr der Andorraner zum Tode geweiht wird.
Der Darstellendes Spiel-Kurs des 9. Jahrgangs des Gymnasialzweigs hatte sich nach der Lektüre im Deutschunterricht für die Inszenierung dieses Stückes entschieden. Nach der Auseinandersetzung mit den großen Themen des Dramas näherten sich die Schülerinnen und Schüler in Form kurzer Teilinszenierungen an die gesamte Umsetzung des Stückes heran. Auch wenn sich früh herausgestellt habe, dass es Überwindung kostet, Perspektiven bzw. Rollen zu übernehmen, die einem eigentlich widerstreben, und in diesen Rollen zu bleiben, habe sich die Anstrengung gelohnt. „Es war ein überwältigendes Gefühl, als das Publikum nach der Vorstellung applaudierte. Das Adrenalin hat uns wahrlich zur Höchstleitung getrieben. Es war der Wahnsinn, wie viel Energie wir als Gruppe gemeinsam entwickeln konnten“, resümiert Rebeka Nasiq stolz. Denn, und so wird es auch im Gespräch mit den jungen Schauspielern deutlich, gemeinsam umfangreiche Texte auswendig zu lernen, Requisiten zu organisieren, über die Inszenierung der Szenen zu diskutieren, habe die klassenübergreifende Gruppe über die Zeit zusammengeschweißt. „Aus Teilen der 9aG und 9cG wurde nicht zuletzt durch die Unterstützung unserer Lehrer Frau Brügge und Herrn Klett ein richtiges Team. Anstatt Druck auszuüben, haben sie uns stets motiviert und vertraut“, so Nazira Sediq. „Zumindest haben sie nach außen hin stets die Ruhe bewahrt, auch wenn bei der Generalprobe der ein oder andere Text noch nicht richtig saß“, ergänzt Samme schmunzelnd.
Dank des positiven Feedbacks haben sich die meisten Schülerinnen und Schüler entschieden, Darstellendes Spiel als künstlerisch-musisches Fach auch in der Oberstufe fortzusetzen in der Hoffnung, ihre gemeinsam gewonnene Energie für weitere Inszenierungen fruchtbar zu machen.
Ein sichtlich stolzes und erleichtertes Ensemble nach der Vorstellung von Max Frischs Stück „Andorra“ in der Heinrich-Mann-Schule, das dem Publikum aufgrund der Aktualität reichlich Anlass zum Nach- und Mitdenken bot.